Dhafer Youssef

Dhafer Youssef - Photo: Sabine Hauswirth

Dhafer Youssef – Photo: Sabine Hauswirth

WELTENBUMMLER PAR EXCELLENCE

Dhafer Youssef lebt mal in Tunis, mal in Wien, dann in Paris oder in New York. Der Planet scheint seine Heimat zu sein, musikalisch sowieso. Mal gerät eine seiner Platten zum Kniefall vor dem amerikanischen Jazz, und die nächste zeigt seine tiefe Verbundenheit zur indischen Musik. Mal ist er „Electric Sufi“ und ein andermal breitet er den „Diwan of Beauty and Odd“ aus. Verwurzelt ist Dhafer Youssef in der arabischen Musik- und Gesangstradition seiner nordafrikanischen Heimat Tunesien. Er spielt die arabische Kurzhalslaute Oud, singt, komponiert und ist ein redegewandter Entertainer bei seinen Konzertauftritten.

Weil er zuhause seiner experimentierfreudigen Musikleidenschaft nicht ungehindert frönen konnte, verließ er als 19jähriger Tunesien und emigrierte nach Wien. Seine Auseinandersetzung mit der westlichen Musik und dem Jazz machte ihn bald zu einem gefragten Mitmusiker, er konnte seine instrumentalen Fähigkeiten vervollkommnen und permanent neue Musik hören, die er wie ein Schwamm aufsog.

Dhafers Kindheit war von arabischer Musik geprägt. Die Art seines Gesanges, die Phrasierung der Musik, die Führung der Melodie – all dies zeigt das. Damals lernte er auch die Oud zu lieben und zu spielen. Er startete sogar ein Studium am Konservatorium in Tunis, doch diese Ausbildung war ihm zu traditionell ausgerichtet. Kurzentschlossen verließ er sein Land „der Musik wegen“ in Richtung Kultur des Abendlandes.

Dhafer Youssef gehört zu jenen aus dem arabischen Raum stammenden Jazzmusikern, die es geschafft haben, sehr divergente Musiktraditionen miteinander zu versöhnen. Der Bogen spannt sich vom US-amerikanischen Jazz und dessen europäische Ausformungen über die Türkei bis zur traditionellen indischen Musik. Aus all diesen Einflüssen schöpft Dhafer Youssef und erschafft daraus sinnliche Melodien und vertrackte rhythmische Strukturen von oftmals berückender Schönheit. Mit seinen treibenden Beats, seinen Aufforderungen zum Tanzen und seiner Offenheit gegenüber elektronischen Klängen hat er seine Musik auch für ein junges Publikum hochattraktiv gemacht.

Das neue Album: STREET OF MINARETS

Manche Alben entstehen durch spontane Impulse oder während zufälliger Proben. Andere dagegen müssen wie guter alter Wein reifen – und die Zeit für sich arbeiten lassen. Reife ist genau das, wofür das neue Album Street of Minarets des tunesischen Oud-Meisters und Sängers Dhafer Youssef steht. Während das Komponieren seines vorangegangenen Albums Sounds of Mirrors (2018) mit einer Kombination aus eigener Note und indischer Musik für Dhafer ziemlich offensichtlich war, erforderte Street of Minarets fünf Jahre Recherche und eine Menge harter Arbeit.

Deshalb sollten wir für Dhafers neue musikalische Reise ein wenig in seine bisherige Laufbahn eintauchen. Der Oud-Meister kam schon in jungen Jahren durch die Religion zur Musik. Im Alter von sechs Jahren sang er in seinem tunesischen Heimatdorf Téboulba, 25 Kilometer von Monastir entfernt, auf Hochzeitsfeiern. Dann entdeckte er die Oud und übte sie bis zur Perfektion. Ende der 80er Jahre zog Dhafer nach Wien, um klassische Musik zu studieren. Diese Zeit, in der er auch Enttäuschung, Einsamkeit und Armut durchlebte, wurde zum Karrieremeilenstein, denn Dhafer bekam die Chance, im berühmten Wiener Jazzclub Porgy and Bess zu spielen.

Heute spiegelt sich seine lange und harte Arbeit, die zu einer perfekten Technik, zu Virtuosität und unbändiger Energie geführt hat, auf der Bühne wider. Auch nach 13-jähriger Karriere mit insgesamt acht Alben und zahlreichen weltweiten Tourneen brennt es immer noch in Dhafers Seele.

Dieser Charakterzug hat Dhafer Youssef zu seinem neuen Meisterwerk verholfen, an dem legendäre Musiker beteiligt waren:

Herbie Hancock am Klavier
Marcus Miller am Bass
Nguyên Lê an der Gitarre
Rakesh Chaurasia auf der Flöte
Adriano Dos Santos Tenori an den Percussions
Dave Holland spielt den Kontrabass
Vinnie Colaiuta am Schlagzeug
Ambrose Akinmusire an der Trompete

Dhafer gesteht, dass er das Album in entgegengesetzter Weise wie normalerweise geschrieben hat. Zuerst überlegte er, wer an seiner Platte aktiv teilnehmen soll, erst dann komponierte er – mit seinen Gästen im Hinterkopf – die Musik.

Herbie Hancock war seine erste Wahl. Dem Vorschlag seiner Frau folgend bat er Herbie, an der Aufnahmesession teilzunehmen. Herbie akzeptierte die Anfrage sofort, allerdings unter einer sehr erfreulichen Bedingung – Dhafer sollte auch auf Herbies kommender Platte spielen. Wie Herbie Hancock war auch Marcus Miller an mehreren Alben von Miles Davis beteiligt, die Dhafer zutiefst inspiriert haben. Mit Hancock und Miller als feste Säulen begannen 2017 die Aufnahmen im ‚Sunset Boulevard Studio‘ in Los Angeles, Kalifornien, wo auch durch weitere wunderbare Musiker pure Magie herrschte: Dave Holland, Nguyên Lê, Vinnie Colaiuta und Ambrose Akinmusire.

Natürlichhätte Dhafer Youssef aufgrund der Anwesenheit derartiger Ikonen irritiert sein können. Doch wer Street of Minarets hört, erlebt das genaue Gegenteil: Der Oud-Meister lässt sich durch ihre Erfahrungen und grandiose Musikalität inspirieren und fügt ihren Beiträgen seine eigene musikalische Handschrift hinzu – eine Brücke zwischen Ost und West, genauer gesagt: eine Brücke zwischen indischer und arabischer Musik sowie westlicher Klassik und Jazz.

„Das Thema des Albums dreht sich in erster Linie ums Reisen…“ erklärt Dhafer. „Nachdem ich auf der Suche nach neuen Klängen bis in die äußersten Ecken der Welt gefahren bin, singe ich hier völlig anders und verwende Gesangseffekte, mit denen ich aufgewachsen bin. Vor allem den Klang eines Megafons bei Gebetsrufen – daher der Albumtitel Streets Of Minarets.“ Auch die übrigen Gäste nahmen an einer wahrlich magischen Reise teil. Die Flöte von Rakesh Chaurasias und die Percussions von Adriano Dos Santos Tenoris wurden in Paris aufgenommen. Der Album-Mix fand in Nguyên Lês Homestudio im französischen Lyonunter der Aufsicht von Steve Argüelles statt, das Mastering im schwedischen Göteborg.

„Dies ist auch eine Reise durch die Zeit“, sagt Dhafer. „Die Brücke besteht ebenso zwischen dem Kind, das ich war, einem Musikliebhaber und Bewunderer der großen Meister (Miles, Herbie, Dave…), und dem erwachsenen Individuum, das ich geworden bin. Eine Brücke zwischen dem Jazz der 50er und seiner rockigeren Version der 80er Jahre. Ich wollte zeigen, dass ich als Musiker permanent in Bewegung bin, um nicht als Kitsch oder Exot abgestempelt zu werden.“

Das Album beginnt mit dem atmosphärischen Titeltrack Street of Minarets und reißt seine Zuhörer sofort mit. ‚Bal d`âme‘ (welch ein Titel!) gelingt ein cinematografischer Übergang und schafft einen Dialog zwischen Dhafers Oud und Herbies Klavier. Dieser Dialog verwandelt sich mit dem dritten Track ‚SharQ Suite 1: SharQ Serenade‘ in eine Agora. Marcus Millers Bass, Vinnie Colaiutas Schlagzeug und Ambrose Akinmusires Trompete haben einen gefühlvollen Auftritt und führen während des gesamten Albums ein Zwiegespräch. Nicht zu vergessen die Synkopen in ‚Funky SharQ‘, bei denen Herbies Keyboard-Schichten an The Headhunters erinnern, oder das scharfe Bass-Slapping von Marcus Miller in ‚Sudra Funk‘.

Wer hätte gedacht, dass die Oud, eine orientalische Laute mit abgerundetem Bauch, eine Funk-artige Dimension einnehmen könnte? Vor allem, wer hätte vor 40 Jahren gedacht, dass man Miles Davis Trompete mit Synthesizern und elektronischem Schlagzeug kombinieren kann, ohne dass sie auch nur eine Sekunde lang verloren geht? Mut ist halt immer noch ein Zeichen von wahrer Größe.

(Erwan Benezet)

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Dhafer Youssef – Ondes of Chakras
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