Silje Nergaard – Photo: Mathias Bothor
Die Phalanx Norwegischer Jazz-Sängerinnen – wobei man das Wort Jazzsängerinnen bitte nicht auf die Goldwaage legen möge – ist Legende. Ihr Aushängeschild seit vielen Jahren heißt Silje Nergaard.
Sie gehört zu den erfolgreichsten europäischen Jazzsängerinnen. Schon als 16-Jährige trat sie 1982 auf dem berühmtesten Festival ihrer Heimat auf – Molde. Ihre Musiker: die verwaiste Band von Jaco Pastorius. Dann entdeckte Pat Metheny die Sängerin und verhalf ihr zu ihrem ersten Plattenvertrag. Seit ihrem Debütalbum „Tell Me Where You’re Going“, mit dem sie 1990 Platz 7 der norwegischen Pop-Charts erklomm, ist sie aus der genreübergreifenden skandinavischen Musikszene nicht mehr wegzudenken. Sie zählt zu den ganz wenigen Protagonisten des Jazz, die sich auch in der Popwelt großer Beliebtheit erfreuen, denn jede Art von Scheuklappen sind ihr fremd.
Die Norwegerin mit der sanften Stimme ist für ihren gefühlvollen Perfektionismus bekannt und dafür, dass sie sich in ihren Liedern auch ernsthafte Gedanken zum Leben in unserer Welt macht.
Nach über 30 Jahren auf der Bühne und über 15 veröffentlichten Alben, legt Silje Nergaard mit ihrem neuesten Album „Houses“ nun wieder einen echten Hochkaräter vor, voller Musik und Lyrics, die nahe gehen, Gefühle wecken, dabei aber immer optimistisch schwingen.
„Houses“ ist ein Konzeptalbum über Hoffnungen, Träume, Liebe und Sehnsucht nach Zukunft, mit dem Silje Nergaard ihre persönlichen Eindrücke, Erlebnisse und Gedanken während des ersten Jahres der Corona-Pandemie musikalisch verarbeitet. „Zu einer Zeit, als die Welt zusammenbrach und wir alle vom normalen Alltagsleben abgeschnitten waren, erlebte ich, wie die meisten anderen Menschen auch, lange stagnierende Tage zu Hause. Es war eine Zeit, die intensiv und so ganz anders war – eine surrealistische Situation.“ Darum unternahm Silje Nergaard lange Spaziergänge in den Straßen ihrer Umgebung. Alles war so ungewohnt still dort, eine seltsame Atmosphäre. Sie schaute in die Fenster und begann über die Menschen in den Häusern mit all ihren unterschiedlichen Geschichten und Leben nachzudenken, was Silje Nergaard schließlich zum Schreiben von Songtexten inspirierte. Diese mögen oft persönlich gefärbt sein, aber letztlich schaut die Sängerin darin über ihren eigenen Horizont hinaus, und so sind ihre vierzehn Stücke eine Reflektion unser aller Leben der vergangenen Monate.
„Als ich erkannte, dass das Leben draußen stillstand, wusste ich, dass ich die Magie in mir selbst finden musste. In einen Zustand der Kreativität zu kommen, war nicht nur sinnvoll, sondern in meinem Fall auch notwendig. Ich spürte ein starkes Bedürfnis nach Ausdruck in dieser besonderen Zeit, ohne Unterbrechungen, mit der Möglichkeit, lange Gedanken zu verfolgen, Lieder über Monate hinweg zu komponieren… und in ihnen zu sein, selbst wenn ich spazieren ging… (tatsächlich komponierte ich auch beim Gehen). Als Künstlerin war es unumgänglich, diese Geschichten und die daraus resultierenden Atmosphären in eigener Musik auszudrücken.“
Veränderungen öffnen den Menschen die Augen, aber wir lernen aus diesen Situationen. Die meisten von uns leben in Ländern, in denen wir frei sind und tun können, was wir wollen. Seit Corona müssen wir erfahren, dass es Einschränkungen geben kann, dass Freiheit auch Grenzen haben kann. Aber das, weil wir uns und die Mitmenschen schützen wollen. „Musiker zu sein, ist ein Teil des Menschseins… wir wachsen, wir verändern uns, entwickeln uns weiter, und natürlich hat Corona uns alle beeinflusst, auf unterschiedliche Art und Weise, und die Geschichten mancher Menschen sind hart und haben große Wunden hinterlassen. Aber ich denke, vielleicht haben wir dabei alle etwas Persönliches über uns selbst gelernt, wir waren gezwungen, uns selbst und die Welt für lange Zeit aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.“
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